Die Einen unruhig, laut und zappelig, vielleicht aggressiv, die Anderen zu still, antriebsarm und ängstlich – in einem vielfältigen Mosaik von Verhaltensweisen begegnen Kinder mit Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) ihrer Umwelt. Um deren Bezugspersonen zu unterstützen und zu begleiten, ist in Wallenhorst das Modellprojekt „Raus aus der Krise! – ADHS-Kompetenz für den Erziehungsalltag” gestartet.
An der Auftaktveranstaltung am Donnerstag (18. Februar) nahmen über 100 Interessierte teil. Zwei Vorträge vermittelten einen Einblick in das ADHS-Störungsbild und die Notwendigkeit einer umfassenden, vernetzten Begleitung. Als Referenten waren Prof. Dr. Silvia Wedebusch und Prof. Dr. Stephan Maykus von der Fachhochschule Osnabrück geladen. Die Entwicklungspsychologin und der Sozialwissenschaftler übernehmen die wissenschaftliche Begleitung. Sie entwerfen und werten Fragebögen aus, die das Erleben der Teilnehmer vor und nach den Kursen sowie einige Monate später erfragen.
Ziel des Modellprojekts sind zeitnahe Verbesserungen für alle Bezugspersonen betroffener Kinder. Ungefähr ein Jahr lang werden spezielle ADHS-angemessene Fortbildungen für Kita-Fachkräfte und Grundschullehrkräfte sowie ADHS-Training für den Erziehungsalltag für Eltern, Tagesmütter und Familienlotsen stattfinden. Darüber hinaus soll das Projekt langfristig die Beteiligten vernetzen, damit sie zusammenarbeiten und sich laufend austauschen können.
Zwei Jahre intensive Vorarbeit sind der Auftaktveranstaltung vorausgegangen. Die Osnabrücker Dipl.-Sozialpädagogin und ADHS-Trainerin Doris Morszeck-Groten beispielsweise weiß als Mit-Initiatorin genau um die Herausforderungen im Leben und Arbeiten mit betroffenen Kindern. Diese Erfahrung veranlasste sie im Mai 2008, sich für ein thematisch neues Projekt im Bildungsbereich stark zu machen. Als Verbündete gewann sie die Nortruperin Gerhild Drüe vom Landesvorstand Niedersachsen/Bremen des Bundesverbandes ADHS Deutschland e.V., deren Fachbuch „ADHS kontrovers” bei ADHS-Experten Anerkennung findet. Gemeinsam entwickelten sie die Projektinhalte mit dem Ziel, Bildungschancen und Lebensqualität der Kinder zu verbessern und den Erziehungsalltag zu erleichtern.
Für die Verankerung des Projekts in Wallenhorst engagierten sich Kornelia Böert, Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde, und Gabriele Wosnitza als Bereichsleiterin der Ländlichen Erwachsenenbildung (LEB) Wallenhorst. Unter anderem beantragten sie Fördergelder, suchten Sponsoren, um die Teilnahme kostenfrei zu halten, stellten Räumlichkeiten bereit und veranlassten Informationen in Kindertagesstätten und Schulen.
Dass die Planerinnen das Projekt gerade in Wallenhorst anboten, dafür hat Doris Morszeck-Groten mehrere Gründe: „Neben der Überschaubarkeit des Ortes war in den Kindergärten und Grundschulen eine nicht selbstverständliche Offenheit zum Thema erkennbar. Außerdem gibt es hier bereits ein Netzwerk Familie, in das das neue Thema hineingewebt werden kann.“ Zudem sei wegen der Mitarbeit von Kornelia Böert die Nachhaltigkeit gesichert.
Dank all dieser Voraussetzungen und der Finanzierung durch Sponsoren sind die ersten Fortbildungen für Kita-Fachkräfte aus Wallenhorst bereits angelaufen. Am 15. April startet das – für Teilnehmer ebenfalls kostenfreie – Training für Eltern von Kindergartenkindern. Im Herbst werden die Trainings für Eltern ADHS-betroffener Grundschüler, für Tagesmütter und Familienlotsen sowie die Fortbildungen für Grundschullehrkräfte der Gemeinde folgen. Das Angebot an die Grundschulen ist dabei von zentraler Bedeutung, da die AD(H)S-bedingten Besonderheiten in den Übergängen Elternhaus – Kindergarten – Schule spezielle Beachtung finden sollen.
Ein vorläufiges Fazit zu ziehen betrachten die vier ADHS-Projekt-Planerinnen als verfrüht. Eines jedoch wissen sie: Die Chance, über das komplizierte Störungsbild ADHS, unter dem alle direkt und indirekt Betroffenen oft massiv leiden, so ortsnah, preiswert, intensiv und sachgerecht lernen zu können, wird in Wallenhorst so schnell nicht wieder geboten werden können.
Weitere Infos gibt es bei Kornelia Böert unter Tel. (05407) 888-820 oder bei der LEB unter Tel. (05047) 2091.