Als um 21.17 Uhr 900 Gäste stehend applaudierten, war das größte Geheimnis des Abends gelüftet: Mathilde Hawighorst erhält den Stein des Anstoßes 2014. Die 80 Jahre junge Hospizhelferin wurde am Freitag (14. November) auf der Ehrenamtsgala zum Tag des Anstoßes für ihr Engagement in der Begleitung alter Menschen und ihrer Angehörigen geehrt.
„Miteinander und Füreinander: Wallenhorster engagieren sich“ lautete das Motto, unter dem die Gemeinde Wallenhorst das Thema soziales Engagement aufarbeitete. Es sei die passende Überschrift für die verschiedenen Aktivitäten in Wallenhorst, auf die man stolz sein dürfe, sagte Bürgermeister Otto Steinkamp in seiner Begrüßung. Was hier an Ehrenamt laufe, habe er in den ersten Wochen seiner noch jungen Amtszeit schon feststellen können und sei aller Ehren wert. Es gebe viele Personen, die sich engagieren, aber darum kein großes Aufsehen machen. Dies treffe auch auf die Person zu, die heute geehrte werde, gab er bereits zu Beginn der Veranstaltung einen Hinweis auf die Preisträgerin. Sie habe sich sehr große Verdienste erworben, so Steinkamp. „Wir sind ihr zu Dank verpflichtet.“
Caritas-Direktor Franz Loth erklärte in seinem Grußwort, dass Ehrenamtliche das Sozialkapital der Gesellschaft seien. „Insofern freue ich mich, hier auf diesem Fest der ‚Sozialkapitalisten‘ dabei zu sein“. Damit das auch bleibe, gab er den Gästen den Tipp, nicht über Nachwuchssorgen zu klagen, sondern die Energie lieber dafür aufzuwenden, Nachwuchs zu motivieren. Humorvoll und kurzweilig präsentierte der Chef von 21.800 Mitarbeitern und ebenso vielen ehrenamtlich Tätigen in der Diözese Osnabrück den Wallenhorstern die Typengalerie des deutschen Ehrenamts, unterteilt in sieben Charaktere: Aktivisten, Mitmacher, Kungler, Chefs, Verlierer, Nörgler und Ulknudeln.
Als Ehrengast begrüßte Moderator Christian Böwer Berlin-Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky. Nach vielen Auftritten in Fernsehen sei dieser nun auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen, so Böwer, er habe es auf den Tag des Anstoßes in Wallenhorst geschafft. Etwas ernster wurde es dann in der anschließenden Talkrunde mit dem Ehrengast, wobei auch hier der Humor nicht zu kurz kam, was insbesondere Buschkowskys direkter Art und Schlagfertigkeit geschuldet war. „Warum wohnen so viele unterschiedliche Menschen in Neukölln“, wollte Böwer wissen. Simple Antwort des Bezirksbürgermeisters: „Weil’s da schön ist.“ Wie er die Herausforderungen der Integration in den Griff bekomme, beantwortete er dann ausführlicher. Das Entscheidende bei der Arbeit mit Migranten sei die Bildung. Wissen müsse vermittelt werden als Grundlage für die weitere Entwicklung, besonders bei den jüngeren Menschen. „Du kannst den Wohlstand erreichen, den du dir erträumst“, müsse man ihnen vermitteln, so Buschkowsky. Es würden Kinder eingeschult, die kein deutsch sprechen, obwohl ihre Eltern bereits in Deutschland geboren seien, zeigte er eines der größten Defizite auf. Einwanderer müssten der Gesellschaft nutzen und sie voranbringen, nicht bremsen. Und sie müssten sich anpassen. „Wer in einen Fußballverein eintritt und dort Handball spielen will, wird ein Problem bekommen“, verglich Buschkowsky die Situation. Wenn die Gesellschaft sich diesen Menschen zuwende, sei sie auch erfolgreich. „Political Correctness ist nur das Alibi zum Nichtstun“, sagte Buschkowsky. Als Beispiel wie man in Neukölln die jungen Migranten erreiche, beschrieb er das erfolgreiche Projekt „Stadtteilmütter“. Dabei handele es sich um Hartz IV-Empfängerinnen mit zumeist arabischen oder türkischen Wurzeln, die zu anderen Familien gingen und ihnen erklären, wie toll dieses Land ist und ihnen beispielsweise den Kindergarten zeigen.
In ihrer Laudatio beschrieb Kornelia Foth als Jurymitglied die Person, die den Stein des Anstoßes im Empfang nehmen solle. Sie sei Jahrgang 1934 und während ihres Berufslebens als Krankenschwester tätig gewesen. Sie habe sich sowohl in als auch außerhalb von Wallenhorst engagiert. Sie lebe im „Unruhestand“ und fühle sich weiterhin verpflichtet, Bedürftigen zu helfen. Die 80-jährige begleite Sterbende und deren Angehörige – Tag und Nacht. Sie sei immer für sie da und ansprechbar. Sie besuche auch einsame Menschen in den Altenpflegeheimen. Sie sei freundlich und bescheiden, könne aber auch resolut werden und erinnere auch schon mal den Pfarrer an seine Pflichten gegenüber kranken Mitmenschen. Des Weiteren sei sie als „Leseoma“ aktiv. Bei all dem Engagement mache sie kein Aufsehen um ihr Tun, sondern arbeite lieber im Hintergrund. Um 21.17 Uhr lüftete Foth dann das bestgehütete Geheimnis des Abends: „Der Stein des Anstoßes 2014 geht an Mathilde Hawighorst“.
Die Preisträgerin dankte der Jury und denjenigen, die sie vorgeschlagen hätten, dafür, dass ihr in jungen Jahren diese Ehre zu Teil werde. Hawighorst erzählte, wie sie zum Ehrenamt und zur Hospizgruppe gekommen sei. Ihr sei es wichtig, eine sinnvolle Aufgabe zu haben. Sie nehme sich einfach nur Zeit für die Kranken und ihre Angehörigen. Das sei es, was diese bräuchten und wünschten. „Sie wollen keine frommen Sprüche hören, sondern einfach nur, dass jemand da ist“, so die begeisterte Radfahrerin. In ihrer Arbeit gebe es auch schöne Momente, erklärte sie. „Man könnte diese Arbeit nicht machen, wenn nicht etwas zurückkommen würde“. Wichtig sei ihr, dass die Menschen sich freuen, die allein in den Seniorenheimen lebten, wenn man sie anspreche und ein bisschen mit ihnen rede. Sie warb dafür, sich etwas Zeit zu nehmen und allein lebende Menschen in den Seniorenheimen zu besuchen und sie anzusprechen: „Wer das möglich machen kann, tut wirklich ein gutes Werk“.
Im Rahmenprogramm der Abendgala unterhielten die Bigband der Angelaschule Osnabrück unter Leitung von Ekkehard Sauer sowie das Solistenensemble des Jugendchores „Rhythmics“ unter Leitung von Prof. Michael Schmoll die Gäste auf musikalische Weise. Sportlich wurde es beim Auftritt der Rope-Skipper des SC Halen. Sie demonstrierten eindrucksvoll, was mit einem Springseil möglich ist und den meisten Gästen vermutlich eher unmöglich erschien. Selber ausprobieren wollte es Moderator Böwer. Spontan forderte er Bürgermeister Steinkamp auf mitzumachen. Dieser war schneller auf der Bühne, als Böwer gucken konnte und machte dann – ganz Sportler – die bessere Figur. Ziemlich außer Atem sah Christian Böwer die Schlagzeilen schon vor sich: „Bürgermeister macht den Moderator fertig“ oder „Steinkamp macht in Wallenhorst große Sprünge“.
Die Gemeinde Wallenhorst bedankt sich bei allen Mitwirkenden sowie Sponsoren – insbesondere bei der RWE Deutschland AG als Hauptsponsor – denn ohne das Engagement der Akteure und die finanzielle Förderung wäre eine Veranstaltung wie der Tag des Anstoßes nicht möglich.