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Integration als Prozess, der alle angeht

„Tag des Anstoßes“ 2010 mit 800 Gästen in Lechtingen gefeiert / Horst Klose erhält „Stein des Anstoßes“ / Viele Denkanstöße zum Jahresthema „Wir sind Wallenhorst – einheimisch und zugewandert“

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Integration als gemeinsame Aufgabe für Einheimische und Zuziehende, Preisträger Horst Klose, der dafür ein eindrucksvolles Beispiel gibt, interessante Gäste und ein vielfältiges Rahmenprogramm: Das war der Wallenhorster „Tag des Anstoßes“ 2011 am Sonntag (12. Dezember) in der Sporthalle Lechtingen. Rund 800 Gäste erlebten bei der Veranstaltung, die die Gemeinde Wallenhorst zum zehnten Mal in Anerkennung des Ehrenamts ausrichtete, unterhaltsame und spannende Stunden rund um das Jahresthema „Wir sind Wallenhorst – einheimisch und zugewandert“.


Respektvoll, diszipliniert, engagiert: Preisträger Horst Klose

Als Jurymitglied Laure Meierrose ans Rednerpult trat, wurde es spannend. Sie hielt die Laudatio für den diesjährigen Preisträger des „Stein des Anstoßes“, der sich zum Jahresthema ehrenamtlich besonders verdient gemacht hat.

Das bestgehütete Geheimnis des Tages lüftete die Laudatorin allerdings nicht sofort, sondern beschrieb Horst Kloses Verdienste zunächst, ohne dessen Namen zu nennen. Einfühlsam schilderte sie unter anderem, wie der Leiter der Boxabteilung des TSV Wallenhorst „seine“ Jugendlichen in Notfällen auch schon mal spontan aus dem eigenen Portemonnaie unterstütze. Ein solches Handeln charakterisiere ihn, sei aber ebenso symptomatisch für das Thema Integration insgesamt: „Nicht lange reden, sondern handeln. Niemanden ausgrenzen, sondern allen dieselben Möglichkeiten und Chancengleichheit verschaffen. Und vor allem: ganz persönlich Einsatz zeigen, Einsatz von Zeit, Kraft, Ideen und notfalls auch von Geld.“

Der Preisträger scheue all das nicht: weder die Auseinandersetzung mit Jugendlichen, wenn diese klare Ansagen bräuchten, noch den Einsatz für seine Schützlinge in der Schule oder bei Arbeitgebern. Er zeige ernsthaftes Interesse an dem von ihm betreuten Kindern und Jugendlichen.

Wie er das konkret gestaltet, stellte Horst Klose nach der Preisverleihung selbst dar. Im Gespräch mit Moderator Christian Böwer beschrieb er seine Trainerarbeit und seine Einstellung.

„Integration kann man nicht von oben verordnen, und sie passiert auch nicht von heute auf morgen“, sagte Klose, in dessen Boxabteilung Aktive aus 17 Nationen trainieren. Sie alle fühlten sich bei ihm und in der Gemeinschaft wohl. „Boxen und der Umgang mit den Jugendlichen, das ist mein Leben“, erklärte der Preisträger die Motivation für sein ehrenamtliches Engagement.

In seiner Abteilung stimmen neben Disziplin und Teamgeist auch die sportlichen Erfolge. So habe man 2009 und 2010 diverse Meistertitel erkämpft. 20 Stunden pro Woche investiere er in diese Arbeit, die am Boxring nicht aufhört und für die er ein ganz grundlegendes Rezept nannte: „Ich respektiere jeden und erwarte umgekehrt auch Respekt.“


Integration als gemeinsame Verantwortung: die Ehrengäste

Natürlich hatten auch die diesjährigen Ehrengäste zum Jahresthema Einiges beizutragen. Als Grußwortsprecherin war Gül Keskinler, Integrationsbeauftragte des Deutschen Fußballbundes (DFB) eingeladen. Sie hob die Rolle des Sports als Bindeglied zwischen Generationen und Kulturen hervor und bezeichnete die Integration als „Schlüsselaufgabe für die nächsten Jahre“ für die gesamte Gesellschaft.

Als eine ebenso persönliche wie gesamtgesellschaftliche Herausforderung begreift auch Asli Sevindim Integration. Die TV-Journalistin des WDR war Ehrengast beim „Tag des Anstoßes“. Als Tochter türkischer Eltern wurde sie in Duisburg geboren und hat sich unter anderem in ihrem Buch „Candlelight Döner“ mit dem Thema auseinandergesetzt.

Dabei wertete sie die Aufsehen erregenden Thesen eines Thilo Sarrazin als „rückwärtsgewandt“. Darüber sei die Realität in Deutschland längst hinweg. Hilfreicher sei es, Kinder mit Migrationshintergrund aufzufangen, Eltern zu unterstützen sowie die Talente aller Menschen zu fördern und zu nutzen. „Wir können es uns nicht leisten, auch nur einen einzigen zu vernachlässigen“, betonte Sevindim, die sich selbst als „Ruhri“ bezeichnete: „Das sagt viel mehr, als wenn man nationale Kategorien verwendet.“

Deutschland müsse sich auf kulturelle Vielfältigkeit einstellen. Alle seien ausnahmslos in der Pflicht: Der Ankommende müsse sich zurechtfinden, mitmachen und sich engagieren, ebenso aber müsse die Gesellschaft vermitteln, wie sie funktioniere und eine Willkommenskultur bieten.

„Am Ende des Tages sind wir doch alle gleich, haben Wünsche, Träume, Ängste und kriegen unsere Kinder nicht ins Bett“, sagte die Journalistin – die als künstlerische Direktorin der europäischen Kulturhauptstadt Ruhr 2010 ein Festival der Wiegenlieder organisiert hat – mit einem Augenzwinkern. Man müsse den Menschen sehen, anstatt sich auf Symbole wie Kopftücher oder Minarette zu konzentrieren.

In der anschließenden größeren Talkrunde schalteten sich Gül Keskinler und Ulrich Belde in die Diskussion ein. Keskinler plädierte für identifikationsstiftende Maßnahmen: „Wer sich mit etwas identifiziert, der setzt sich dafür ein.“ Dies werde zum Beispiel beim Fußball deutlich.

Ebenso wie Horst Klose wertete sie Integration als Prozess. Zugleich sah sie auch die Verantwortung des Staates: „Was oben geschieht, hat Auswirkungen nach unten.“ Die DFB-Integrationsbeauftragte bestätigte Asli Sevindims Meinung: „Wir müssen jeden Einzelnen so stärken, dass alle einen Nutzen davon haben.“ Der DFB versuche das unter anderem in seinem Talentförderungsprogramm.

Auch Ulrich Belde bezeichnete Integration als gemeinsame Aufgabe. „Integrieren, so wird oft gedacht, ist vor allem eine Pflicht derjenigen, die hierher nach Deutschland kommen.“ Im Grundsatz sei das ja nicht falsch. Jedoch müssten die Einheimischen diesen Raum auch gewähren und aktiv gestalten. In diesem Sinne flankiere die Gemeinde Wallenhorst auch finanziell viele Aktionen von Vereinen und Verbänden, die hier Beachtliches leisteten.


Panflöte und Tanzeinlagen: das Rahmenprogramm

International gestaltete sich auch das Rahmenprogramm. Dazu begrüßte Moderator Christian Böwer, der wieder einmal ehrenamtlich durch den „Tag des Anstoßes“ führte und das Publikum von der ersten Minute an mitriss, Akteure aus Wallenhorst und dem Umland.

Die Osnabrücker Panflötistin Petruta Küpper, die 2009 als Drittplatzierte der RTL-Sendung „Das Supertalent“ bundesweit bekannt wurde und gebürtige Rumänin ist, bezauberte mit dem einzigartigen Klang ihres Instruments. Unter anderem setzte sie mit „Fly the lonely shepherd“ von ihrer im Januar erscheinenden CD „Panträume“ einen stimmungsvollen Schlussakkord.

Für Akzente vom Balkan sorgte die Albanische Tanzgruppe aus Osnabrück unter Leitung von Xhemshir Haziri. Zugleich bewiesen die beweglichen Tänzerinnen und Tänzer, dass akrobatische Tänze und Dudelsackmusik einander nicht ausschließen – im Gegenteil!

Zwei weitere Tanzeinlagen rundeten das Programm ab. Die von Monty Schürmann trainierte Ballettgruppe der Lechtinger Musik- und Malfreunde hatte sich für einen slawischen Tanz von Dvorák entschieden, während die Jazz-Dance-Gruppe der Sportfreunde Lechtingen eine Choreografie von Silke Scheffler zum Hit „Wonderful Life“ von Hurts präsentierte.


Und sonst noch?

  • Bei seiner zehnten Auflage fand der „Tag des Anstoßes“ erstmals tatsächlich an einem Tag statt, nämlich an einem Sonntagnachmittag statt an einem Freitagabend. Wenn es nach den rund 800 Gästen in der Halle ging, kann das 2011 so bleiben: Auf spontane Abfrage von Christian Böwer hin votierte eine große Mehrheit per Handzeichen für einen Sonntagnachmittag im November als künftigen Termin.
  • Angesichts des Jahresthemas „Wir sind Wallenhorst – einheimisch und zugewandert“ hatte die Gemeinde Wallenhorst natürlich auch „Zugewanderte“ zum „Tag des Anstoßes“ eingeladen. So begrüßte Christian Böwer 76 Familien oder Einzelpersonen, die stellvertretend für die 76 Nationalitäten, die in Wallenhorst leben, eingeladen worden waren.
  • Bereits festgelegt hat die Jury das Jahresthema 2011. Unter dem Slogan „Wo Kinder, da Zukunft“ soll es um die Kleinen und Kleinsten und um ehrenamtliche Arbeit zu ihrem Wohl gehen.