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Wachgerüttelt aus Marionettenschlummer

Ausstellung mit Werken von Siegfried Kornacki und Wolfgang Meluhn bis zum 3. August im Rathaus zu sehen

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Marionetten nicht als Figuren, die eine künstlerische Aussage vermitteln, sondern selbst als Gegenstand der Kunst können derzeit die Besucher des Wallenhorster Rathauses erleben. Dort startete am Freitag (1. Juni) die Ausstellung „Marionette“ mit Bildern und Skulpturen von Siegfried Kornacki und Wolfgang Meluhn. Rund 70 Kunstinteressierte kamen dazu in das Rathausfoyer.
Begrüßt wurden sie von Bürgermeister Ulrich Belde, der sich in einer kurzen Ansprache mit dem Thema der Ausstellung auseinandersetzte. Marionetten seien im gleichnamigen Theater meist lustig und unterhaltsam anzusehen. „Wenn sich aber die bildende Kunst nicht über die Marionetten als Medium ausdrückt, sondern sie als Topos wählt, dann transportieren sie keine Geschichte, sondern ihr Wesen ist selbst die Geschichte, der Inhalt, die Aussage“, sagte Belde.

Vom Wesen her sei eine Marionette nur scheinbar aktiv, jedoch nicht aus sich selbst heraus: „Sie bewegt sich nicht, sie wird bewegt, und wer oder was im wahrsten Sinne dahinter steckt und die Strippen zieht, ist für den Betrachter nicht ersichtlich.“ Schneide man einer Marionette die Fäden durch, falle sie in sich zusammen. Sie sei also nur so weit handlungs- oder auch nur bewegungsfähig, wie es ihr Strippenzieher zulasse.

Diese gedanklichen Ansätze vertiefte Comedian und Conferencier Robert Woitas in seiner Einführung in die Ausstellung. Die Anatomie der Kunst sei ihre Freiheit zur Äußerung der eigenen Sicht der Dinge. Diese diene dem Wachrütteln aus Marionettenschlummer, mache den Spieler hinter der Kulisse erkennbar, reiße den Vorhang bestenfalls beiseite und schenke Freiheit.

Woitas – ein Freund der Künstler – verglich das Schicksal mit einem Marionettenspieler. Es zerre die Menschen durch die Augenblicke in die Zukunft, sei „das Maßband des Lebens: Habe ich gelebt – oder wurde ich geführt? Habe ich führen lassen? Oder bin ich aufrechten Hauptes und Ganges gewandelt in Klarheit, Bewusstheit und selbstbestimmt?“

Angesichts des Niedergangs von Ästhetik und Kunst sowie des gleichzeitigen Aufstiegs „von Krämertum und Pfeffersäcken“, „von aufgeblähten Niemanden, ausgestattet mit Macht“, von Geld als Maß aller Dinge würden die Menschen zu „Dornröschen im Schlaf der Umgarnung, Statisten deren Extremitäten, Hände und Beine, deren Geist, Gedanken gegängelt werden“, kurzum: Marionetten. „Das heraldische Zeichen unserer und aller Zeiten ist ein fahrender Ritter, der gegen Windmühlen kämpft; sich verheddert in Stricken, die zu durchtrennen er begehrte“, sagte Woitas.

Dagegen setzte er Frieden und Freiheit als Werte und Ziele. Abschließend zitierte er in zugespitztem Kunst-Kritiker-Jargon aus einem angeblichen Artikel über die beiden Künstler, wobei er angesichts dessen künstlerischer, besser: künstlicher Sprache dem Publikum empfahl: „Ich schlage vor, Sie gucken sich das mal an, und möge diese Ausstellung uns bereichern und unser aller Ketten sprengen.“

Nicht an Ketten hingen die Kinder der Ballettschule Charles S. Watkins. Mit einer eigens zu dieser Ausstellung einstudierten Choreografie begleiteten sie die Vernissage, erweckten die Marionetten tänzerisch zum Leben und ernteten dafür viel Beifall.

Gelegenheit dazu, ebenfalls Ketten zu sprengen, haben alle Interessierten bis einschließlich Freitag (3. August). So lange ist „Marionette“ zu den Öffnungszeiten des Rathauses zu sehen: montags, mittwochs und freitags von 8 bis 16 Uhr sowie dienstags und donnerstags von 8 bis 16 Uhr. Der Eintritt zur Ausstellung ist frei.